Lübbesee ist mal klar, mal milchig

 

Von Sigrid Werner

 

Die Sichttiefe in dem Badegewässer hatte Ende Juni deutlich nachgelassen. Am See-boden bilden sich viele kleine Löcher. Und Strand und Wiese sind übersät mit dem, was Wasservögel hinter-lassen. Ist das alles noch gesund?

 

 

 

TEMPLIN. Der Templiner Lübbesee ist ein be-liebter Badesee. Der Strand unweit vom Seehotel wird auch gern als der „Ostseestrand“ der Uckermark bezeich-net. Nicht zuletzt wegen seines schönen Sand-strandes, der grünen Liegewiesen, und vor allem wegen des klaren Wassers. Selbst Er-wachsene, bis zu den Schultern im Wasser, können stehenden Fußes meist noch ihre Zehen sehen.

Doch etwa Mitte Juni trübte sich das Wasser langsam ein, bis es zum Monatswechsel so mil-chig war, dass Er-wachsene an sich hinab teils nur noch bis zum Bauchnabel schauen konnten. Was ist los mit unserem See? Das fragten Templiner den Uckermark Kurier. Mess-ungen mit einer dafür üblichen Scheibe er-gaben am 4. Juli an drei verschiedenen Stellen nur noch eine Sichttiefe von 1,20 Meter. Ist der See schmutziger gewor-den? Lag es an dem Zustrom vieler Badegäste an den heißen Tagen?

 Der Uckermark Kurier sprach darüber mit Kennern der Materie vom Naturschutzbund Deutschland (NABU), Regionalverband Tem-plin. Nicole Spundflasch, neue erste Vorsitzende, und Beisitzer Norbert Bukowsky beruhigten die Gemüter.

 

 

Es liege nicht an einer geminderten Wasserqualität, sondern an natürlichen Vor-gängen im Zuge von Witterung und Jahres-zeiten, klärte Nicole Spundflasch auf. Als an-gehende Abiturientin hatte sie dieses Phäno-men schon 1989/90 in einer Arbeit zu den Sichttiefen im Lübbesee dokumentiert.

„Im Wasserkörper eines Sees herrscht ein Gleichgewicht von Kalk (ungelöstem Calciumkar-bonat) und Hydro-genkarbonat (gelöste HCO3-Ionen). Das Gleich-gewicht wird durch den pH-Wert geändert“, be-schreibt Norbert Bu-kowsky die chemischen Prozesse. Erhöhe sich die Bioproduktion, wie es in Abhängigkeit von der Witterung und Sauer-stoff-Prozessen zum Bei-spiel bei wärmeren Temperaturen und hoher Sonneneinstrahlung ge-schieht, werde mehr Kohlendioxid verbraucht. „Der pH-Wert steigt. Das Gleichgewicht verschiebt sich. Weniger Säure im Wasser bewirkt die Ausfällung des Kalkes als

Calciumcarbonat“, so Bukowsky. „Das Wasser wird milchig, und es entsteht die Seekreide. Die Sichttiefe sinkt.“

„Die Kalkpartikel brau-chen eine ganze Zeit, bis sie sich wieder auf dem Seeboden abgesetzt ha-ben“, ergänzt Nicole Spundflasch. Das scheint inzwischen passiert zu sein. Momentan kann man im Lübbesee seine Füße unter Wasser wieder sehen. Die besten Gewässer mit schwach-em Nährstoffgehalt er-reichen Sicht-tiefen bis 7,50 Meter, der kalkreiche bis zu 13 Metern tiefe Lübbesee 2,5 bis 3,5 Meter.

 

Es sei aber unter bestimmten natürlichen Umständen nichts Ungewöhnliches, dass die Sichttiefe auch mal nachlasse. Hinzu kämen in der Badebucht noch die Sediment-aufwühlungen durch die vielen Menschen. Auß-erdem rechne man üblicherweise bei 2000 Badegästen mit einer Belastung, die etwa dem Aufkommen von unge-klärten Abwässern von 20 Menschen entspreche, erwähnt Nicole Spund-flasch.

Zudem gebe es Blüte-zeiten von Algen. Das spitze piksige Hornkraut und Laichkräuter seien Zeichen für das gewachsene Nährstoff-aufkommen. Die Wasser-pflanzen verbrauchen einen Teil der Nährstof-

fe, die in den See eingetragen werden. Vor den Algen und Wasser-pflanzen müssten Bade-gäste keine Angst haben. In Seen gebe es hier-zulande keine giftigen Unterwasserpflanzen, so Bukowsky.

Armleuchtergewächse, die sogenannten Chara-ceen, die unterirdischen Seewiesen, als Zeichen für nährstoffarme Klar-wasserseen, seien in den letzten Jahren fast vollständig vom Lübbe-seegrund verschwunden. Forscher hatten in einem Bundesprojekt, an dem der Förderverein Ucker-märkische Seenland-schaft beteiligt war, festgestellt, dass die Friedfische überhand nehmen. Die Weißfische haben dazu beigetragen, den im Volksmund so genannen Armleuchter-algen im wahrsten Sinne des Wortes den Boden abzugraben. Das Gleich-gewicht von Raub- und Friedfischen sei durch die vorzugsweise Entnahme von Raubfischen gestört worden.

 

Die Friedfische bedienen sich am Nahrungs-angebot und wühlen den Seegrund auf, was das Characeen-Wachstum offensichtlich beein-trächtigt. Man spreche sogar vom Knäckebrot-Sediment. Das scheint am Lübbesee auch schon Badegästen aufgefallen zu sein. Dort bilden sich im Wasser immer mehr kleine, auch größer werdende Löcher im weichen Untergrund, in denen Badegäste schnell mal umknicken können. Wasserbauingenieurin Nicole Spundflasch ver-mutet, dass die Friedfische mit ihrem Buddeln für dieses Muster sorgen, vielleicht aber auch Wasservögel.

 

Enten und Graugänse fühlen sich am Lübbe-seestrand seit einigen Jahren sehr wohl. Ihre Ausscheidungen sind im Sand und auf der Wiese allgegenwärtig. Beim NABU vermutet man, dass ganze Vogel-generationen mittler-weile die Erfahrung gemacht haben, dass ihnen von den Menschen keine Gefahr droht und am Strand immer wieder eine Extraportion Futter abfällt. Es mache Sinn, jegliches Füttern zu unterlassen. Und sei aus Hygienegründen auch mal über geeignete Vergrämungsmaßnah-men nachzudenken. Wildgänse brauchen als natürlichen Lebensraum nämlich den Lübbe-seestrand nicht, sondern nur den See.

 

Kontakt zur Autorin

s.werner@nordkurier.de

 


 

 

Aus der Templiner Zeitung vom 13.07.2022, Seite 12, mit freundlicher Genehmigung der Redaktion.

 

Zuletzt geändert: 13.07.2022