NABU startet Spendenaktion für Schreiadler

 

Von Monika Strehlow

In den letzten drei Jahrzehnten ist die Zahl der Brutpaare von 100 auf etwa 20 in Bran-denburg gesunken. Im Grumsiner Forst gibt es gar keine mehr. Die letzten wurden in den 1990er Jahren gesehen.

 

UCKERMARK. Während viele Uckermärker jeden Tag mit der Ankunft der Störche rechnen, warten einige von ihnen gespannt auf die Schreiadler aus den afri-kanischen Überwin-terungsgebieten. Wie viele der Greife, die ihren Namen den typischen Balzrufen verdanken, werden wieder ankom-men und möglicherweise Nachwuchs aufziehen? Mit rund 10000 Kilo-metern legen die mitt-lerweile seltensten Adler Deutschlands bis zu ihren Brutrevieren die weiteste Strecke unter den Zug-vögeln zurück. Unter optimalen Lebensbe-dingungen beziehen sie über Jahre immer die-selben Horste. Doch optimale Biotope findet der Vogel, nach den ersten Bestimmungen in der preußischen Provinz Pommern früher auch „Pommernadler“ ge-nannt, in Deutschland schon lange nicht mehr. Auch in der jüngsten „Roten Liste der Brut-vögel Deutschlands“ von 2021 steht der Schrei-adler (clanga pomarina) in der Kategorie der gefährdeten Arten und damit in der zweiten Gruppe nach der Kate-gorie ausgestorbener Arten.

Experten stufen ihn als eine der am stärksten vom Aussterben bedroh-ten Vogelarten Deutsch-lands ein. Selbst weltweit wird zurzeit nur noch mit rund 20 000 Brutpaaren gerechnet, sodass diese Art auch global zu den gefährdetsten Greifvö-geln zählt. Nur den Anstrengungen von Na-turschützern ist es zu verdanken, dass diese Art der heimischen Adler überhaupt noch am westlichen Rand ihres Brutvorkommens in Mittel und Südosteuropa vorkommt. Ende der 1970er Jahre brüteten zum Beispiel im Altkreis Templin bis zu 15 Schreiadlerpaare. 2009 waren es nur noch sieben Brutpaare, trotz der Bemühungen regionaler Umweltschützer.

 

 

. In den 1990er Jahren übernahm das Landes-umweltamt Brandenburg die Koordinierung des Engagements von Natur-schutzbehörden und Ver-einen, Horstbetreuern und wissenschaftlichen Einrichtungen, Forst-behörden und Flächen-nutzern, um gefährdeten Arten ein Überleben zu ermöglichen. Doch wäh-rend es beispielsweise bei der Bestands-entwicklung von See und Fischadler Erfolge gibt, verschlechterte sich die Situation für den Schreiadler weiter. Er ist besondersauf intakte, unzerschnittene Land-schaften mit Brutwald und weiten, offenen Grünflächen angewiesen. Denn dieser Spezialist erbeutet seine Nahrung nicht nur aus der Luft, sondern jagt in Wiesen oft auch zu Fuß kleine Wirbeltiere und Insekten.

   Nach Schätzungen der Deutschen Wildtier Stiftung führte die Zerstörung geeigneter Lebensräume dazu, dass im äußersten Nordosten Deutschlands etwa 90 Prozent seines Brutareals verloren gingen. In den letzten etwa drei Jahrzehnten sind die Bestände weiter um rund 30 Prozent gesunken. Vor zehn Jahren wurden nur noch knapp 100 Brut-paare, davon circa 20 in Brandenburg gezählt (Quelle: Tagungsband zum 1. Schreiadler-Symposium der Deutschen Wildtier Stif-tung). Laut einer Übersicht des branden-burgischen Ministeriums für Landwirtschaft, Um-welt und Klimaschutz gibt es heute zum Beispiel im Grumsiner Forst, wo in der Mitte des 20. Jahrhunderts noch fünf bis sechs Brutpaare lebten, keine Schreiadler mehr. Die letzten sind dort in den 1990er Jahren beobachtet wor-den. Erschwerend für die Arterhaltung kommt hinzu, dass die auf ein bestimmtes Biotop ange-wiesenen Schreiadler ausgesprochen standort-treu sind und an ihren Revieren festhalten. In MecklenburgVorpommern ist die Bestandsdichte mit knapp 1,5 Paaren auf 100 Quadratkilometern noch doppelt so hoch wie in Brandenburg. Im Norden der Mark lebten sie nur noch in den Landkreisen Uckermark,

 

 

Oberhavel und Barnim.Doch die Arten-schützer gaben die Hoffnung nicht auf. 2006 bis 2011 lief ein Projekt „Jungvogelmanagement Schreiadler“ unter Regie der Deutschen Wildtier Stiftung, mit Unter-stützung der Deutschen Bundesstiftung Umwelt und mit Beteiligung von Verbänden, Behörden und Ehrenamtlichen. Ziel war es, den Bruterfolg der Schreiadlerpaare durch den menschlichen Eingriff „... kurzfristig zu erhöhen, bis mittelfristig andere Schutzmaß-nahmen“ die Population steigen lassen würden. (Abschlussbericht, www.schreiadler.org/projekte/jungvogel-management). Denn bekannt ist, dass etwa zwei Drittel der Schrei-adler in der Regel nur ein Junges aufziehen, ob-wohl das Weibchen zwei Eier legt. Das zuletzt geschlüpfte Junge wird von dem bereits kräftigeren Erstge-borenen getötet. Dieser „Kainismus“ genannten Verschwendung von Mutter Natur sollte mit der Aufzucht des zweiten Kükens unabhängig von den Eltern Einhalt ge-boten werden. Damals konnte die Rep-roduktionsrate um 112 Prozent gesteigert wer-den. Mit ins Boot geholt hatte man Kollegen aus Lettland und Polen, sodass es zum inter-nationalen Austausch von Jungvögeln kam. Zudem lieferten die telemetrischen Daten derbesenderten jungen Schreiadler wichtige Er-kenntnisse über die Zugrouten und Gefahren auf ihrem Weg über die Kontinente und Meere.

   Nach Abschluss des Projektes ist diese Art der Aufzucht junger Schrei-adler durch den NABU fortgeführt worden. Arno Hinz, seit Jahrzehnten Horstbetreuer und mitt-lerweile Förster im Ruhestand, ist gemein-sam mit Tierarzt Ingo Börner im Raum des Altkreises Templin aktiv. Sie nutzen die im Zuge des Jungvogelmanage-mentProjektes entstan-dene Auswilderungs-station, die von Forst-revierleiterin Ingrid Lehnigk betreut wird.

 „Inzwischen scheint sich eine Stabilisierung der Population abzu-zeichnen“,  deutet  Arno

Hinz an. Immerhin konn-ten von Projekt-beginn bis 2021 99 Jungadler ausgewildert werden. 43 von ihnen schlüpften in Lettland und 18 in Polen. Heute sind in Brandenburg wieder 29, statt 20 Brutpaare registriert. Parallel dazu versucht der NABU zum Beispiel durch Flächen-kauf dieser Spezies artgerechte Bio-tope zu schaffen. So, wie der Regionalverband Tem-plin, der vor rund zehn Jahren in der Buch-heide etwa 25 Hektar Bruch und Wiesengebiet erwarb und sie ver-pachtete. Nach den Worten des Ersten Vor-sitzenden Norbert Bu-kowsky gebe es mit dem Landwirt, der die Wiesen mäht, gute Erfahrungen. Inzwischen schmiedet der Regio-nalverband Pläne zur Renaturierung des Ham-merfließes in der Buch-heide, um auch hier für den Schreiadler wieder bessere Be-dingungen zu schaffen.

   Auch in anderen Teilen der Uckermark haben NABU-Mitglieder den Schreiadlerschutz auf ihrer Agenda. Zudem startete jetzt der NABU-Bundesverband eine Spendenaktion, um für ein weiteres Gebiet von knapp 13 Hektar Wiesen 124 900 Euro aufbringen zu können. Über die NABUStiftung Nationales Naturerbe laufen bereits Verhandlungen, um ein Gebiet in der Randow-Welse-Niederung zu er-werben. Genauere Orts-angaben wird Frauke Hennek, Kommuni-kationsleiterin der Stiftung, nicht machen. „Es ist wichtig, dass diese Areale unberührt blei-ben, da die Adler sehr störungsempfindlich sind.“

 

https://www.nabu.de/spenden-und-mitmachen/spenden/schreiadler.html

 

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redtemplin@nordkurier.de

 


 

 

Aus der Templiner Zeitung vom 05.04.2022, Seite 12, mit freundlicher Genehmigung der Redaktion.

 

Zuletzt geändert: 05.04.2022