Adebar setzt seinen Kopf durch

Von Sigrid Werner

 

„Wohnungsangebote" hatte der Rutenberger Storch schon viele bekommen. Doch offensichtlich sind ihm die alten Strommasten mitten im Dorf als Nistplatz am liebsten. Deshalb erfüllen die Menschen ihm jetzt seinen Herzenswunsch. Mit einigem Aufwand.

 

RUTENBERG. Der Rutenberger Storch hat seinen eigenen Kopf. Was haben die Dorf­bewohner, der NABU-Regionalverband Templin und der Netzbetrieb E.DIS nicht schon alles unternommen, um ihm ein Nistangebot zu unter­breiten. Am Montag rückten Mitarbeiter der E.DIS und der Elektrofirma Thomas erneut in Rutenberg an, um Adebar mit einer fertigen Nisthilfe zu überraschen.

   Vor Jahren hatte der Storch sich auf einem Strommast auf dem Grundstück einer Rutenbergerin häuslich ein­gerichtet. Doch der gefieder­te Mieter brachte nicht nur Freude mit, sondern auch ät­zende Risiken für Bewohner, Fahrzeuge und die Stromver­sorgung.

   Ein alternatives „Woh­nungsangebot" auf einer Wiese auf dem gegenüber­liegenden Privatgrundstück schlug Adebar aus. Er nutz­te den Mast - aber nur als Ruheplatz. Stattdessen zog es ihn an seinen bewährten Standort zurück. Die E.DIS und Storchenbeauftragter Norbert Bukowsky reagierten. Mit einem Schutzgitter hinderten sie den Adebar daran, dorthin zurückzukehren.

   Daraufhin machte es sich „Reinhold", wie der Storch schon im Dorf genannt wurde, mitten im Ort auf einem Doppelmast gemütlich. Drei Jahre stapelte er dort Reisig im Kreuz von 400-Volt-Niederspannungsfreileitungen zu einem stattlichen Nest auf.

 

Adebar liebt Geselligkeit

„Der Storch liebt offensichtlich die Geselligkeit", sagte Helmut Süss von der E.DIS, der mit seinen Kollegen angetreten war, dem Adebar nun endlich dessen Herzenswunsch zu erfüllen und den Platz mitten unter, besser über Leuten, herzurichten und gleichzeitig die Stromversorgung zu sichern. Bereits im Vorfeld hatte Uwe Marschall, der schon als Storchenbeauftragter beim Netzbetrieb E.DIS gilt, das alte Nest abräumen lassen. Ein ganzer Anhänger voll Reisig und Schlamm musste entsorgt werden. „Solch ein Nest braucht Pflege", weiß Marschall inzwischen. Sonst werde das Nest irgendwann zu schwer und falle herunter. Insofern sei es gut, wenn Nist-hilfen nicht irgendwo, sondern an mit Hebebühnen gut zugänglichen Stellen angelegt werden. Am Montag brachten E.DIS-Kollege Marcel Zehmke und Jürgen Schläfke von der Firma Thomas zunächst eine neue Halterung an den Doppelmast. Mit ihrem Arbeitskorb bugsierten sie eine extra für den Storch in Auftrag gegebene Spezialanfertigung in die Höhe. Rund 30 Kilogramm Gerüst wuchteten sie zu zweit auf die Träger. Mit genügend Abstand zu den Stromleitungen kann Adebar nun sein Nest bauen, ohne dass Kot in den Leitungen hängen bleibt. Die ätzenden Bestandteile greifen das Aluminium an, verschlechtern die Leitfähigkeit oder können gar Havarien auslösen, so Helmut Süss. Uwe Marschall ist sich ziemlich sicher, dass der Rutenberger Storch dieses Mal das „Wohnungsangebot" annehmen wird. „Schließlich muss er nicht umziehen, sondern darf an dem Platz bleiben, den er sich selbst ausgesucht und wo er schon gebrütet hat", sagte Marschall. Spannend bleibt nur, ob Adebar das auch so sieht und das neue, etwas höhere Quartier gut genug findet. „Das weiß man vorher nie genau. Die Männer treffen meist die Vorauswahl, die Frauen haben bei den Störchen das letzte Wort", bestätigte Norbert Bukowsky vom NABU. Der E.DIS-Netz-betrieb verfügt im Umgang mit den Störchen schon über einige Erfahrung. Er baut in der Uckermark in diesem Jahr neun solcher Nisthilfen auf. Auch vier Adlerhorste hat die E.DIS in ihrem Revier. ,Wir unterstützen den NABU gern", sagte Marschall. „Normalerweise bekommen die Störche extra Masten, um sie von unseren Freileitungen fern zu halten."

   Doch „Reinhold" genießt schon einen Sonderstatus. Schließlich ist er ein Zuzügler, sagt Norbert Bukowsky. Von der Beringungszentrale Hiddensee weiß der NABU-Mann: Der Rutenberger Storch wurde 2012 bei Stendal geboren. „Normalerweise kehren Jungvögel nach drei Jahren an ihren Geburtsort zurück. Der Rutenberger Storch hat sich jedoch 113 Kilometer vom Beringungsort niedergelassen, wurde quasi abgeworben. Offensichtlich gefallen ihm die natürlichen Bedingungen bei uns", freute sich Norbert Bukowsky. Im Umfeld sind durch Bemühungen des Naturpark-Fördervereins über zehn Hektar Acker- in Dauergrünland umgewandelt worden. Dort fänden die Störche vor allem auch viele Insekten und Würmer. Im Altkreis Templin brüten regelmäßig um die 40 Störche. Die meisten Neuansiedlungen habe es dort gegeben, wo Ökolandbau oder extensive Grünlandbewirtschaftung erfolge, so Bukowsky.

 

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Aus der Templiner Zeitung vom 13.03.2018, mit freundlicher Genehmigung der Redaktion.

 

Zuletzt geändert: 13.03.2018