Von Sigrid Werner
In der Uckermark singt noch ein vielstimmiger Chor. 243 Vogelarten brüten regelmäßig in Deutschland. 156 davon fühlen sich allein im Altkreis Templin heimisch. Dort gibt es eine Fachgruppe Ornithologie, die seit Jahrzehnten die Vogelwelt dokumentiert. Das Ergebnis der letzten 40 Jahre ist jetzt publiziert und bietet Einblicke, wie sich die Vogelwelt verändert, mit und ohne Zutun der Menschen.
UCKER MARK. Das Rotkehlchen ist vom Natur-schutzbund Deutschland zum Vogel des Jahres gekürt worden. Damit ist es der erste öffentlich gewählte Vogel des Jahres. Denn dieses Mal hatte der NABU alle Vogelfreunde eingeladen, mit abzustimmen. Mit 59267 Stimmen vor Rauchschwalbe und Kiebitz machte das auch für Laien gut erkennbare Rotkehlchen, das in vielen Gärten zu beobachten ist, das Rennen. Dabei gehört die Vogelart nicht einmal zu den gefährdeten Arten. Zumindest nicht in der Uckermark. Hier wurde es an 73 Beobachtungsorten gleich 194-mal beobachtet.
Die Fachgruppe Ornithologie/Artenschutz im NABU-Regionalverband Templin e.V. kann mit ihrer 2020 vorgelegten Veröffentlichung „Vogelarten und Vogelbeobachtungen im Altkreis Templin/UM. 1980-2019" auf 156 Brutvogelarten verweisen, die zwischen 1980 und 2019 im Altkreis Templin beobachtet wurden, 30 Arten sind als Durchzügler oder Wintergäste bekannt. 40 Arten wurden als Ausnahmegäste dokumentiert, berichtet Autor Wolff-Hasso Seybold.
Mit weit mehr als 2500 Brutpaaren pro Jahr wird die Population der Rotkehlchen in der Uckermark zwischen 2010 und 2020 als hoch eingeschätzt. Ebenso wie Amsel, Bachstelze, Blaumeise, Buchfink, Buntspecht, Fitis, Haus- und Feldsperling. Goldammer. Grünfink, Kleiber und Hausrotschwanz kommen insgesamt 23 Arten relativ häufig im Altkreis Templin vor und damit auf rund 25 Prozent der Landkreisflache. Mit 76 Beobachtungen an 39 Fundorten von 2001 bis 2019 kommt selbst die kleine Tannenmeise von Arnimswalde bis Groß Dölln und Zerwelin häufig vor.
Sie alle zu zählen. würde die Möglichkeiten der ehrenamtlichen Vogelbeobachter übersteigen. Ihr Augenmerk richten sie stattdessen auf die Dokumentation sehr seltener Arten wie Schwarzstorch. Tüpfel- und Wasserralle, von denen im Altkreis Templin nur ein bis fünf Brutpaare dokumentiert sind. Als in der Region selten vorkommend (6 bis 25 gezählte Brutpaare) wurden von den Ornithologen 32 Vogelarten, darunter geschützte Arten wie Schreiadler, Steinschmetzer und Ziegenmelker eingestuft.
Bei den Beobachtungen wurden abnehmende Brutbestande bei Braunkehlchen, Haubentauchern, Kiebitz, aber auch wieder beim Kranich festgestellt. Rückläufige Winteransammlungen wurden bei Feld- und Haussperling beobachtet. Rückgängige bis stark rückgängige Bestände stellten die Vogelkundler bei Feld- und Haubenlerche, Mauersegler, Neuntöter, Rothalstaucher, Schwarzmilan, Star, Turmfalke und Weißstorch, obwohl scheinbar noch allgegenwärtig, fest.
Sehr stark waren die Brutbestände beim Rebhuhn zurückgegangen. In einigen Bereichen konnte das gestoppt werden durch gezielte Auswilderung. Es kamen im Altkreisgebiet aber auch neue Vogelarten hinzu. So haben Bienenfresser in Kiestagebauen in der Uckermark seit 2013 Quartier genommen. Die Nilgans wird seit 2013 als Brutvogel im Altkreis Templin
beobachtet. Der erste Brutnachweis des Raufußkautzes gelang 1996. Und auch für das Schwarzkehlchen wurde 1995 das erste Brutpaar notiert.
Der Steinkauz ist 2002 das letzte Mal gehört worden. Von der Trauerseeschwalbe wurde ein letztes Exemplar 2016 gesichtet. Das bedeutet nicht zwangsläufig,
dass es sie in der Uckermark überhaupt nicht mehr gibt. Aber sie wurden eben nicht mehr gesichtet und gezählt. Denn auch das Vogelzahlen will gelernt sein, sagt Wolff-Hasso Seybold. Die Vogelkundler in der Fachgruppe würden sich deshalb über Nachwuchs freuen. „Denn bei der Bestimmung fängt jeder von uns mal klein an", so Seybold. Schließlich warten die Vögel nicht, bis sich der Ornithologe mit dem Teleobjektiv seiner Kamera herangezoomt hat. Erkannt werden müssen auch die kleinen, feinen Unterschiede im Gefieder, um zum Beispiel Haus- und Gartenrotschwanz, ohne oder mit weißem Klecks am Kopf, voneinander unterscheiden zu können. Auch die verschiedenen Bussardarten zu erkennen, gelingt in der Natur nicht so einfach, wenn die Vögel mal durch Schatten oder Sonne fliegen. „Viel funktioniert dabei auch über das Hören“, verrät Seybold, und das lernen Interessierte von Vogelkundlern eben, in dem diese ihre Erfahrungen weitergeben.
Nicht immer seien die Menschen schuld, wenn Vogel verschwinden oder neu hinzukommen in einer Region, warnt Seybold vor Schwarz-Wein-Malerei. Die Haubentaucher zum Beispiel brüteten einst am Röddelinsee in einer Bucht zum Templiner Kanal noch kolonieartig. 2001 waren noch 392 Brutreviere auf 113 Gewässern im Altkreis bekannt, 2015 wurden 422 Brutreviere erfasst und 84 Brutpaare auf 201 Gewässern erfasst. In guten Jahren wurden in manchen Revieren 15 bis 26 Brutpaare gesichtet. Die Anzahl der Brutpaare war in den letzten 40 Jahren stark schwankend. 2019 wurden von den ehren-amtlichen Vogelkundlern nur 19 Brutpaare dokumentiert. Vielleicht habe die Zunahme der Population bei den Waschbaren, die auch schwimmen können und so an die Gelege kamen, dazu beitragen, dass die Bestände immer wieder mal zurückgegangen sind, sucht Seybold nach einer Erklärung.
Den Weißstörchen fehlten in den vergangenen trockenen Jahren hingegen mit Sicherheit die feuchten Wiesen in ihren Futtereinzugsgebieten, wo sie ihre Futtertiere, die Amphibien finden. So blieb von den 63 Horststandorten 2019 mancher unbesetzt. 2019 wurden 41 Horst-paare gezählt. Manchmal führten aber auch bestimmte Wetterlagen auf der Reise der Zugvögel dazu, dass viele von ihnen die Strapazen nicht überstehen und deshalb nicht zurückkehren", so Seybold. Und wenn Nilgänse vor den Weißstörchen die eigentlich für die Adebare gedachten Nester besetzen, trauen sich die Störche nicht mehr ran, berichtet der Vogelkundler von den Verschiebungen und dem Wettbewerb der Arten in der Natur.
Zuweilen verändere sich auch das Zugverhalten, vor allem wegen des Klimawandels. Kommen die Wirtsvögel des Kuckucks, wie der Teichrohrsänger, wegen des Klimawandels deutlich früher, legt der Kuckuck seine Eier zu spät in die Nester, und sie werden nicht mit ausgebrütet Die Bienenfresser haben sich indes dank des Klimawandels neue Brutgebiete nördlich ihrer bisherigen Verbreitung erschlossen. „Durch die Temperaturverschiebungen scheint das Futterangebot bei uns für sie besser zu werden", so Seybold. So konnten in einem Jahr schon mal sechs bis acht Brutpaare gezählt werden.
Kontakt zur Autorin swerner@nordkurierde
Aus der Templiner Zeitung vom 25.03.2021, Seite 16, mit freundlicher Genehmigung der Redaktion.
Zuletzt geändert: 25.03.2021