Templiner wollen Insekten Lebensräume geben

Der Naturschutzbund hat aufgerufen, bis zum 12. August bei der „Insektensommer"-Mitmachaktion von einem Punkt aus alle Krabbler im Zehn-Meter-Radius zu zählen. An der Kurmeile werden Beobachter fündig - auf 30 Hektar Wildblumenwiese.

 

Von Sigrid Werner

Der Naturschutzbund Deutschland hat aufgerufen, ab heute bis 12. August bei der Aktion „Insektensommer" mitzumachen. Von einem Beobachtungspunkt aus können Freiwillige in einem Radius von zehn Metern alle Insekten bestimmen, zählen und an den NABU melden. Dafür lohnt sich in diesem Sommer ein Spaziergang zur Templiner Kurmeile. Dem Betrachter eröffnet sich eine einmalige Blütenpracht, die nach wenigen Wochen regelmäßig ihre Farbe wechselt.

Im Frühsommer bedeckte das Weiß der wilden Margeriten weite Flächen des 30 Hektar großen Areals. Dann stachen der gelbe Hornklee heraus, Echtes Labkraut und das Violett der Flockenblume. Inzwischen geben Sandstrohblume und Wilde Möhre den Wiesen entlang des NABU-Apfel-sortenschaugartens ihr Gepräge. „Die Doldenblüten sind wichtig für den Schwalbenschwanz", sagt NABU-Mitglied Norbert Bukowsky. Manche Insekten legen nämlich 'nur an bestimmten Pflanzen ihre Eier ab.

So diene zwar. der Schaugarten dem Erhalt alter Apfelsorten. Die NABU-Orts-gruppe Templin sehe in ihm aber vor allem einen Beitrag zur Artenvielfalt und gegen das Insektensterben. Je mehr ver-schiedene Blüten zur Auswahl stehen, je mehr Insekten könnten sich ansiedeln und umso mehr Vogelarten fänden Nahrung. Templin kann mit seiner Kurmeile in dieser Beziehung einen wahren Schatz vorweisen: Hier ist wieder so manche geschützte Art heimisch. Bukowsky hat unter den Vogelvorkommen das Braun-kehlchen entdeckt. Eine Art, die in Deutschland als stark gefährdet gilt, aber auch Schwarzkehlchen und Heidelerche fühlen sich dort wohl. Die am Prenzlauer Tor brütenden Dohlen, eine in Brandenburg vom Aussterben bedrohte Art, hat im Kurgebiet ihre wichtigsten Nahrungsflächen.

 

Dass sich die Artenvielfalt auf diesen Wildblumenwiesen in den letzten drei Jahren so gut entwickelt hat, sei kein Selbstläufer, weiß Cornelia Süßenbach vom Seniorenlandsitz. Ihr Haus habe genau wie die Stadt und ein weiterer Bodeneigentümer Kooperationsverträge mit dem NABU geschlossen. Cornelia Süßenbach ist begeistert über die Blütenpracht, mit der sie jetzt bei ihren Gästen werben könne: „Viele aus der Großstadt kennen so etwas nicht mehr", weiß Bukowsky. „Wenn wir die Flächen der Natur überließen, würde hier erst das Sandrohr überhand nehmen, eine Grasart, die die Blütenpflanzen schnell überwuchert, und bald würde sich Vorwald entwickeln". Deshalb habe Ulrike Gerhardt vom Naturpark eine Entwicklungs-planung empfohlen. Dazu gehöre, die Flächen regelmäßig zu pflegen: An den Wegrändern würde ein- bis zweimal im Jahr maschinell gemäht. Auf einem Drittel der Flächen kommen „biologische Rasenmäher" zum Einsatz. Angestellte eines Schä-fereibetriebes betreuen dort rund 500 Schafe. „Es war für uns alle ein Lernprozess", sagt Norbert Bukowsky. Auch für den Schäfer, dessen Aufwand mit einer Pauschale über das  Kulturland-schaftspflegeprogramm ausge-glichen wird. Und für die Bodeneigentümer, die bestimmte Flächen, vor allem Wege, touristisch nutzen wollen. Für den Schäfer müsse es logistisch und wirtschaftlich beherrschbar sein, für die Tiere die Koppeln immer wieder neu abzustecken. Denn Norbert Bukowsky wacht darüber, dass die Wiese nicht zu kahl gefressen wird, sonst verschwinde wiederum Lebensraum für bestimmte Arten, die in Bodennähe, an Stängeln oder Blättern ihre Eier ablegen. Damit wären auch Insekten weg.

Hat Templin mit so viel Blütenpracht sein Soll schon erfüllt

in Sachen Insektenschutz? Be-stimmt nicht, sagt Bukowsky. Schließlich gebe es rund um Templin viele Gärten und Felder, die auf Bestäubungsleistungen der Insekten angewiesen sind.. Deshalb will die Arbeitsgruppe Stadtökologie der Stadt im September weitere geeignete Flä-chen vorschlagen, wo Wild-blumenwiesen angelegt werden könnten. Überall funktioniere das nicht, weiß Bukowsky nach ersten Versuchen. Eigentumsverhältnisse müssten geklärt, Konflikte aus-geschlossen werden, um Akzeptanz zu erlangen.

In der Dargersdorfer Straße, wo der NABU 2017 auf einer Brache eine Wildblumenwiese angelegt hatte, gab es Ärger - Samen flogen in Nachbargärten. Außerdem stieß sich so mancher an der Höhe der verblühten Pflanzen. Wo sich Menschen nebenan um gepflegte Vor­gärten mühen, kann solch ein wilder Anblick störend wirken. Bukowsky kann das nach-vollziehen. Man werde die Fläche früher abräumen als geplant. Bei der nächsten Wildblumenwiese in der Stadt wolle man Abstand zu Gärten halten und bei der Sortenauswahl mehr auf Höhen achten.

Den NABU würde es freuen, wenn sich Templin der Initiative „Deutschland summt" anschließen und noch weitere Flächen für Wildblumenwiesen finden würde. Und wenn die Leute auf ihren Grundstücken auf etwas Pflaster oder ein paar Steinwege ver-zichteten und stattdessen Blu-menrabatten anlegten, hätten auch sie einen Beitrag zum Insek-tenschutz geleistet. Fast ohne Wildnis.

 

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 s.werner@nordkuriende

 


 

 

Aus der Templiner Zeitung vom 03.08.2018, mit freundlicher Genehmigung der Redaktion.

 

Zuletzt geändert: 03.08.2018